Die deutschen Autohersteller Daimler, BMW und Volkswagen müssen in den kommenden Jahren massiv in die Entwicklung von Elektroautos und autonom fahrenden Fahrzeugen investieren. Um das zu finanzieren, sind massive Kostensenkungen notwendig. Damit sind hierzulande zigtausende Jobs in Gefahr.

Die Aktien der deutschen Autohersteller Daimler , BMW und Volkswagen setzen ihre Kurserholung fort. Grund ist die Hoffnung auf Fortschritte im Handelskrieg zwischen den USA in China. Sollte es – wie viele Investoren hoffen – zu einer Lösung kommen, würden sich die Perspektiven für die chinesische Wirtschaft, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, aufhellen. Das wären sehr gute Nachrichten für die hiesigen Produzenten, ist doch für sie China der wichtigste Markt.

2018 haben Daimler, BMW und VW in China dort insgesamt mehr als 5,5 Mio. Fahrzeuge abgesetzt, damit kamen die deutschen Hersteller auf einen Marktanteil von knapp 24 Prozent. Dabei hat VW allein einen Marktanteil von 18,1 Prozent in China.

Wegen der wachsenden Zuversicht sehen die Investoren darüber hinweg, dass US-Präsident Donald Trump jederzeit Strafzölle auf in Europa hergestellte Autos ankündigen könnte, was eine enorme Belastung vor allem für die deutschen Hersteller wäre. Für diesen Fall hat die EU-Kommission bereits mit schnellen Vergeltungsmaßnahmen gedroht.

Audi kündigt massives Sparprogramm an

Ebenso wie die Konkurrenten bekommt auch die VW-Tochter Audi das schwierige Marktumfeld erheblich zu spüren. Der neue Audi-Chef Bram Schot, der sein Amt im Dezember angetreten hat, reagiert darauf mit einem Sparprogramm. Damit will er bis zum Jahr 2022 rund 15 Mrd. Euro einsparen.

Neben einem Drittel der Motoren soll dabei mindestens jede zehnte Führungsposition gestrichen werden. „Wir haben heute zu viele Führungskräfte an Bord“, sagte Schot. „Eine Ebene – also rund zehn Prozent der Leistung – werden wir rausnehmen können.“

Gleichzeitig will er noch stärker als geplant auf Elektroautos setzen. Sollte bislang 2025 jedes vierte Fahrzeuge einen Elektroantrieb haben, soll dieser Wert „ein bis zwei Jahre früher“ erreicht werden. Gleichzeitig möchte sich der Vorstandschef noch stärker auf das Geschäft in China fokussieren.

Daimler arbeitet an zusätzlichen Kostensenkungen

Schot stößt damit in das gleiche Horn wie der scheidende Daimler-Chef Dieter Zetsche. Wegen der deutlich gesunkenen Profitabilität in der Pkw-Sparte Mercedes-Benz Cars arbeitet das Management an zusätzlichen Einsparungen. „Mit der Prognose für Mercedes-Benz Cars liegen wir unter unseren langfristigen Zielrenditen. Damit können und wollen wir nicht zufrieden sein. Deshalb haben wir begonnen, umfassende Gegenmaßnahmen zu erarbeiten“, sagte Zetsche.

„Wir sind in der Erarbeitung dieses Programms“, so der Firmenlenker. Die Umsetzung werde sein Nachfolger Ola Källenius übernehmen, der sein Amt bei der Hauptversammlung im Mai übernimmt. Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht zeigte Verständnis für die Maßnahmen. „Die veröffentlichten Konzernzahlen zeigen, dass der Absatz zwar gestiegen, aber das Ergebnis gefallen ist. Das lässt den Schluss zu, dass die Effizienz erhöht werden muss, um eine bessere wirtschaftliche und wettbewerbliche Ausgangsposition zu erreichen“, so Brecht.

Kostensenkungen sind dringend notwendig: einerseits wegen der deutlichen Abkühlung der Weltwirtschaft, die die Pkw-Nachfrage dämpft, andererseits wegen des massiven Geldbedarfs für Investitionen in Elektroautos.

Unglücklicherweise ist die Euro-Zone mit der exportabhängigen deutschen Industrie besonders stark von der Abkühlung der Weltwirtschaft betroffen. So ist der Einkaufsmanagerindex für die Industrie Deutschlands, den die englische Researchfirma IHS Markit veröffentlicht, im Februar von 49,7 Punkten auf 47,6 Punkte eingebrochen. Werte unterhalb der 50er-Marke signalisieren eine Rezession.

Gleichzeitig ist der Einkaufsmanagerindex für die Industrie der Euro-Zone von 50,5 Punkten auf 49,2 Punkten abgerutscht und signalisiert damit ebenfalls eine Schrumpfung des Sektors. Da der Dienstleistungssektor mit einer Verzögerung von wenigen Monaten üblicherweise der Entwicklung der Industrie folgt, befürchten inzwischen etliche Experten, dass die Euro-Zone auf dem Weg in eine Rezession sein könnte. Dass der Autoabsatz in der Euro-Zone im Januar den fünften Monat in Folge gegenüber dem Vorjahr geschrumpft ist, spricht Bände.

Ein Daimler-Sprecher betonte, dass kein Stellenabbau geplant sei. Für die Stammbelegschaft in Deutschland seien betriebsbedingte Kündigungen wegen der Beschäftigungsgarantie bis 2029 ohnehin ausgeschlossen. Allerdings könnten die Leiharbeiter betroffen sein. Daimler hatte 2017 angekündigt, wegen hoher Entwicklungskosten in der Pkw-Sparte bis 2021 vier Mrd. Euro einsparen zu wollen.

Bau von Elektroautos erfordert viel weniger Mitarbeiter

Allerdings scheint es höchst zweifelhaft, dass Daimler die zusätzlichen Einsparungen in den nächsten Jahren ohne einen deutlichen Mitarbeiterabbau realisieren kann. Statt auf betriebsbedingte Kündigungen wird der Konzern wohl auf Abfindungen und ähnlichen Regelungen zurückgreifen müssen.

Schließlich erfordert der Bau von Elektroautos deutlich weniger Mitarbeiter als der von Fahrzeugen von Verbrennungsmotoren, weil der Bau von E-Autos bei Weitem nicht so komplex ist. Je schneller der Umstieg auf Elektroautos vorankommt, umso mehr Jobs stehen in Deutschland auf dem Spiel.

Von großer Bedeutung ist dabei vor allem der Antriebsstrang. Dabei bilden der Elektromotor und die Batterie die zentralen Elemente des Antriebes. So hat ein Antriebsstrang eines E-Autos viel weniger bewegliche Teile als ein Verbrennungsmotor, weshalb deutlich weniger Mitarbeiter gebraucht werden, um den Antriebsstrang zu bauen. “Ein Achtzylindermotor hat 1200 Teile, die montiert werden müssen, ein Elektromotor nur 17 Teile”, warnte schon vor drei Jahren der BMW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Manfred Schoch.

100.000 Jobs stehen auf dem Spiel

„Insgesamt sind die technologiegetriebenen Arbeitsplatzverluste als relativ stark zu bewerten. Im Jahr 2035 werden knapp 114.000 Plätze aufgrund der Umstellung auf den Elektroantrieb bei Pkws verloren gegangen sein“, schrieb das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit.

Zwar würden auch Jobs im Bauwesen, bei den Stromversorgern, oder im Dienstleistungsbereich geschaffen. Allerdings überwiege deutlich der Arbeitsplatzabbau im Autosektor. „Von der Elektrifizierung des Antriebsstrangs werden vor allem Fachkräfte negativ betroffen sein. Zeitverzögert sinkt auch der Bedarf nach Spezialisten- und Expertentätigkeiten. Auf längere Sicht ergeben sich negative Effekte für alle Anforderungsniveaus“, so die Experten des IAB.

„Wird einerseits bedacht, dass das Elektromobilitäts-Szenario ,nur’ von einem Elektro-Anteil von 23 Prozent bei 2035 ausgeht, ist davon auszugehen, dass bei einer stärkeren Marktdurchdringung mit deutlich höheren Wachstums- und Beschäftigungseffekten gerechnet werden muss“, so das IAB.

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