Sixpack in 20 Minuten? Riesengroßer Bizeps? Das war gestern. Das Männerbild wandelt sich, und mit ihm auch die Einstellung zu Fitness und Work-outs. Wir haben mit Freeletics-CEO Daniel Sobhani über die neuen Fitness-Trends für 2019 gesprochen, wie er sich selbst zum Training motiviert – und warum ein Sixpack noch lange kein Ausdruck von Fitness ist.


Freeletics ist zurzeit die am schnellsten wachsende Sport- und Lifestyle-Marke weltweit. Mehr als 33 Millionen Menschen nutzen die App bereits – doch für CEO Daniel Sobhani geht es dabei um mehr, als nur ein virtuelles Fitnessstudio anzubieten. Der gebürtige Münchner und Geschäftsführer der ersten Stunde weiß, wie es ist, mit Übergewicht und Sport-Unlust zu kämpfen – hatte er als Teenager doch genau diese Probleme. Jetzt bringt er seine ganz persönliche Geschichte in das Unternehmen ein. Sein Ziel lautet Nachhaltigkeit: Freeletics soll Menschen dauerhaft fitter und glücklicher machen.

GQ: Herr Sobhani, welchen Fehler machen jetzt alle, die im Januar mit großen Vorsätzen gestartet sind und bereits aufgegeben haben?

Daniel Sobhani: Es gibt hier genau zwei Hauptprobleme: Zu hohe Erwartungen und zu große Veränderungen auf einmal. Dahinter stecken falsche Versprechungen, falsche Vorbilder in der Werbung und mangelndes Wissen, wenn es um Fitness geht. Wenn man das Ganze ohne Guide angeht, dann ist es, als würde man von München nach Berlin wollen, aber ohne Navi oder Wegweiser. Vielleicht kommst du irgendwann in Berlin raus, aber wahrscheinlich nicht besonders effektiv und Spaß hast du dabei auch keinen. Ich bin davon überzeugt, dass die Technik hier diesen Gap ebnen kann. Wenn du dich schon anstrengst, dann doch bitte effektiv. Nimm das Navi und die Wegweiser.

Warum ist es so schwierig, Veränderungen durchzuhalten?

Meist nehmen wir uns zu viel auf einmal vor, zum Beispiel von nichts auf vier Mal die Woche ins Fitnessstudio, zusätzlich Laufen und am besten noch eine Ernährungsumstellung. Das wird scheitern. Immer. Dafür braucht es einfach zu viel Willensstärke. Aber diese verringert sich durch Faktoren wie Stress, schwierige Entscheidungen, usw. Deshalb klappen so radikale Veränderungen immer nur kurz.

Was ist der richtige Weg?

Man muss sich kleine Veränderungen vornehmen und die so lange machen, bis sie zur Routine geworden sind – wie Zähneputzen. Hierbei immer nur eine Baustelle, also nicht Ernährung und Fitness gleichzeitig. Und: Es ist ein 90-Prozent-Ansatz. Ausnahmen dürfen sein – die Gewohnheit wird eintreten und das ganz ohne Willenskraft.

Was hält die Leute zusätzlich vom Work-out ab?

Wir haben Studien zu diesem Thema durchführen lassen und ein Punkt, der immer wieder auftauchte, war natürlich ein Mangel an Zeit. Gefolgt von der Equipment-Frage – also habe ich das richtige Trainingszubehör? Auch der Preis spielt eine Rolle, Fitnessstudios sind relativ teuer, in den USA noch viel mehr als bei uns. Und der Arbeitgeber ist ein Grund. Eine Komponente, die mich wirklich überrascht hat: Das Alter spielt ebenfalls eine Rolle. Die Grenze liegt hier wohl bei 40, 41. Ab dann fühlen sich die Menschen oft zu alt für ein Training.

atsächlich? So früh schon?

Ja, das finde ich erschreckend. Das ist ja erst die Hälfte deines Lebens! Und mit moderner Technik kann man das Training leicht auf die verschiedenen Bedürfnisse anpassen. Und gerade mit 40, 50, 60 ist das Work-out so wichtig, weil der Körper hier dringend Unterstützung braucht.

Die Debatte um ein neues Männerbild spielt aktuell eine wichtige Rolle. Was muss ein Mann für Sie im Jahr 2019 sein?

Ich selbst versuche, eine Kombination aus selbstbewusst, natürlich und empathisch zu sein. Früher sollten Männer eher hart sein und sich durchsetzen. Das finde ich nicht richtig. Güte und Empathie sollten Grundwerte sein und sind keine Schwäche. Solange man selbstbewusst für seine eigenen Sachen einsteht. Sei das, was du wirklich bist! Das ist eine Eigenschaft, die ich weitergeben und auch meinen Kindern beibringen möchte.

Und wie sieht der Mann 2019 aus?

Erstmal sollte jeder sich wohlfühlen. Also nicht wie er sagt, dass er sich wohlfühlt, sondern wie er sich tatsächlich im Inneren gut fühlt. Meiner Meinung nach sollte der Mann eine gewisse Stärke haben. Das meine ich sowohl mental als auch physisch. Das bedeutet jetzt nicht zu übertriebene Muskeln. Ich sehe das Ganze wie eine Art Dreieck: Die Körperform, die Performance und die Gesundheit. Man kann nie alle drei gleichzeitig optimieren. Je mehr man sich auf die Körperform konzentriert, desto mehr geht man von der Gesundheit weg.

Wie gehst du persönlich dein Training an?

Ich bewege mich am liebsten auf der Achse zwischen Gesundheit und Performance. Ich habe zwar nicht durchgehend im Jahr ein Sixpack, aber ich bin gesund, ich fühle mich wohl, ich bin relativ fit – das sollte meiner Meinung nach ein Mann sein. Das ist mehr wert, als 3% Körperfett und ein riesengroßer Bizeps.

Welche Fitnesstrends bringt uns das Jahr 2019?

Für uns steht die Zukunft ganz klar unter dem Schlagwort „Holistic Fitness Lifestyle“. Früher war die Fitness-Branche mehr daraufhin ausgelegt, wie man möglichst schnell viele Muskeln aufbaut oder den „Beach Body“ bekommt. Wir möchte einen längerfristigen Wandel des Lifestyles anbieten. Dazu zählt neben konstantem Training auch gesunde Ernährung, Regenerierung, Schlaf und Mindfulness oder Achtsamkeit. Ein Sixpack für ein paar Wochen ist uns nicht nachhaltig genug. Für die Work-outs bedeutet das Mobilitätsübungen oder Yoga in Kombination mit HIIT – das wird man viel auf unserer Plattform sehen.

Wird es auch konkrete Work-out-Trends in 2019 geben?

Bei Freeletics nicht, denn wir setzen auf Nachhaltigkeit. Natürlich werden weiterhin High Intensity Trainings eine wichtige Rolle spielen. Der Trend zum Fresh Air Training wird sich 2019 noch intensivieren. Und wir werden in Europa bald eine Bewegung wie in den USA sehen – dort wird Fitness immer mehr zu einer Art Luxusgut. Dementsprechend gibt es dann kleinere und spezialisiertere Kursangebote, die teurer sind. In Deutschland haben wir beim Fitness noch diese Geiz-ist-Geil-Mentalität und das wird sich ändern. Vielleicht noch nicht 2019, aber es wird kommen.

Haben Sie einen Tipp, wie man sich zum Training motiviert?

Ich habe es für mich als Priorität gesetzt. Ganz egal wie stressig der Tag ist, 15 Minuten kann ich immer reinquetschen. Und ich glaube vom Prinzip her auch, dass Fitness mir eher Zeit gibt, als dass sie sie mir nimmt. Ich werde dadurch entspannter, lockerer und dadurch wieder produktiver und fokussierter. Das hole ich locker wieder auf. Wenn es darum geht, Zeit zu managen, und darum geht es ja meistens, dann ist es hilfreich, wenn sich mein Work-out-Programm auf mich einstellt. Und das Wichtigste für mich: „I triple use my time“. Das bedeutet: Wenn ich trainiere, dann tue ich schon mal meinem Körper etwas Gutes. Als zweites höre ich immer eine Art von Podcast oder Audio-Book zu einem Thema, das mich gerade beschäftigt oder in dem ich mich weiterbilden möchte. Dann lerne ich immer noch etwas. Und ich setzte das Training immer auf Pausenzeiten von mir. Kein Mensch kann durcharbeiten. Also eine Pause muss jeder machen und ich kombiniere das dann einfach.

Ihr ganz persönlicher Fitness-Hack für die GQ-Leser?

Wenn es schwer fällt mich zu motivieren, nutze ich Freunde und Reminder. Ich habe die soziale Kontrolle durch Freeletics, ich werde hier sofort angesprochen, wenn ich mal eine Woche nicht trainiert habe, das spornt mich natürlich an. Ich setze mir Ziele auf meiner Apple Watch und jedes Mal, wenn ich auf die Uhr schaue, dann werde ich daran erinnert. Und jeden Abend um 20 Uhr poppt in meinem E-Mail-Postfach ein Reminder auf, der mich auch gern mal etwas unfreundlich daran erinnert, dass ich mir diese Ziele gesetzt habe und ich als Vorbild vorangehen soll. Ich schäme mich dann vor mir selber, wenn ich das nicht durchziehe.

Auf was achten Sie bei der Ernährung?

Ich möchte gesund essen, aber nicht Low Calories, Low Carb oder Low Fat. Ich habe ein System gefunden, das für mich gut funktioniert. Ich mache intermittierendes Fasten. Das bedeutet 16 Stunden lang kein Essen, ich höre um 20 Uhr zu essen auf und fange erst um 12 Uhr am nächsten Tag wieder an. Zum einen fällt es mir schwer, in nur acht Stunden so viel zu essen, dass es zu viel ist. Zum anderen gibt es Studien, die darauf hinweisen, dass diese lange Pause den Körper bei der Regeneration unterstützt. Die Verdauung nimmt sehr viel Energie vom Körper, die er dann nicht in die fundamentale Regeneration des Körpers stecken kann. So schließe ich keine Lebensmittel aus und brauche auch keinen Cheat Day von dem ich persönlich nichts halte.

Der beste Tipp, den Sie bekommen haben?

Jeder hat seine Unsicherheit und hat mal bei null angefangen, Zauberrezepte gibt es nicht, Scheitern ist völlig ok. Das gibt mir Kraft.

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